Tertialsvortrag zum Krieg gegen die Ukraine
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22. März 2022

Tertialsvortrag zum Krieg gegen die Ukraine

Zwei Historker:innen beleuchten in einer Online-Veranstaltung die Hintergründe des Konflikts / 

Der Krieg Russlands gegen die Ukraine bewegt den Birklehof. Der Tod, die Zerstörung und das tausendfache Leid von Zivilisten und Soldaten in der Ukraine erschüttern Birklerhoferinnen und Birklehofer. Die Folgen der Aggression sind auch unmittelbar an unserer Schule zu spüren.

 

Ein Mädchen und ein Junge aus der Ukraine sind seit einigen Jahren schon Schüler:innen am Birklehof, ihre Familien mussten nun flüchten und haben zum Teil Zuflucht im Hochschwarzwald gefunden. Fünf weitere geflüchtete Jugendliche aus der Ukraine hat die Schule inzwischen aufgenommen und werden hier unterrichtet. Sie alle brauchen unsere Hilfe. Und wir sind sehr dankbar, dass die Schulgemeinschaft mit Altschüler:innen und Förderern uns dabei so schnell, großzügig und zupackend unterstützt.

Die schrecklichen Ereignisse haben unsere Schülerinnen und Schüler aufgewühlt und viele Fragen bei ihnen aufgeworfen. Gleich zu Beginn der Kämpfe hat Dr. Peter Itzen, Lehrer für Deutsch und Geschichte, in der Schulversammlung eine historische Einordnung des Konfliktes gegeben. Für den 8. März konnte er zwei befreundete Osteuropahistoriker:innen für einen Tertialsvortrag zum Thema per Videokonferenz gewinnen.

Julia Herzberg ist Professorin für Geschichte Ostmitteleuropas/Russlands in der Vormoderne und lehrt an LMU München. Michel Abeßer arbeitet als Akademischer Rat am Lehrstuhl für Neuere und Osteuropäische Geschichte an der Universität Freiburg. Als Osteuropahistoriker:innen kennen beide die Ukraine und Russland besonders gut, weil sie für ihre Arbeit längere Zeit in Archiven forschen und daher für jeweils mehrere Monate in den Ländern gelebt und dort sehr viele soziale Kontakte gewonnen haben.

Darüber hinaus beschäftigen sie sich auch wissenschaftlich mit den Themen. Frau Herzberg ist im Schwerpunkt Umwelthistorikerin, hat aber sehr viele Bekannte in beiden Ländern und ist wissenschaftlich gut vernetzt. Herr Abeßer ist Experte für sowjetische Geschichte seit den 1960er Jahren.

Ihren Vortrag haben sie im Dialog miteinander gestaltet. Frau Herzberg hat über die Geschichte der Ukraine gesprochen, Herr Abeßer über die Ukraine und Russland im 20. Jahrhundert, über Phasen, in denen ukrainische Eigenständigkeit mal stark und gewaltsam unterdrückt wurde wie im Stalinismus, und Phasen, in denen dem ukrainischen Nationalbewusstsein mehr Raum gelassen wurde. Zudem haben sie versucht, die aktuelle Situation zu erklären. Frau Herzberg sagte, dass sie den Angriff auf die Ukraine als ein Zeichen der Schwäche des Systems Putin interpretiert. Herr Abeßer hob die starke Bedeutung des Militärs und der Oligarchen in diesem System hervor.

Beide haben zum Schluss deutlich gemacht, wie sehr es sie gerade auch persönlich zerreißt zwischen der wissenschaftlichen Beschäftigung mit den Ereignissen und dem direkten Kontakt mit Bekannten in der Ukraine und in Russland, die von den schrecklichen Ereignissen betroffen sind. 

Das Interesse der Birklehoferinnen und Birklehofer war groß, die Schüler:innen der Klasse 10 – 12 schätzungsweise fast vollständig zugeschaltet. Ihre Fragen bezogen sich unter anderem auf die Entstehung des Konflikts, zum Beispiel inwiefern der Westen auch eine Mitschuld an der Genese habe und ob der Westen sich nicht auch Kritik anhören lassen müsse. Herr Abeßer und Frau Herzberg verwiesen darauf, dass auch mögliche Fehler des Westens keinen Angriffskrieg rechtfertigten und dass Russland vom Westen in den vergangenen Jahren mit Respekt behandelt worden sei.

 

Fotos: Hanna Kneser
Text: Peter Itzen, Wolfgang Finke