23. Juni 2020
Der lange Weg zurück zur Normalität
Ein Zwischenruf zum Sommertertial von Schulleiter Henrik Fass /
Einen Tag verspätet und nicht wie gewohnt mit einer gemeinsamen Schulversammlung ist in diesem Jahr das Sommertertial nach den Pfingstferien gestartet. Wie hätte es unter Corona-Bedingungen auch anders sein können? Die Hygienevorgaben und Anweisungen aus dem Kultusministerium bedurften einer sorgsamen Vorbereitung des Schuljahresabschlusses. So mussten auch wir feststellen, dass es wesentlich leichter ist, einen Schulbetrieb einzustellen, als ein komplexes System unter diesen Voraussetzungen wieder hochzufahren. Dennoch: Nach Wochen der Unsicherheit sind wir froh und dankbar, dass wir am Birklehof allen Schülerinnen und Schülern einen verlässlichen Schulbetrieb bieten können.
Der Unterricht für die Kursstufenschüler läuft bereits seit dem 4. Mai 2020 als Präsenzunterricht, die schriftlichen Abiturprüfungen wurden letzte Woche abgeschlossen. Seit dem Ende Pfingstferien sind nun auch die anderen Jahrgänge hinzugekommen. Für die Klassen 5 bis 10 haben wir ein rollierendes System im Wochenrhythmus eingeführt mit darauf abgestimmten Fernlernphasen.
Einige Lehrerinnen und Lehrer werden auch während der Präsenzphasen lediglich Video-Fernunterricht erteilen können, weil Sie zur Risikogruppe zählen (etwa wegen einer Schwangerschaft oder einer Vorerkrankung). Damit dies möglich ist, wurde in den letzten Wochen auf Hochtouren an der technischen Ausstattung gearbeitet, wurden Hard- und Software angeschafft und aufgerüstet.
Auch wenn es viele Erleichterungen gegeben hat, so fühlt es sich noch nicht an wie gewohnt. Der Weg zurück in die Normalität ist lang. Sieht man Birklehoferinnen und Birklehofer auf dem Campus, dann ist ihre Mimik durch die vorgeschriebenen Mund-Nasen-Masken weitestgehend verdeckt. Dass hier fast 140 Kinder und Jugendliche verteilt auf unsere Internatshäuser leben, mag man gar nicht glauben, weil sämtliche Zusammenkünfte wie die Schulversammlung, aber auch Kontaktsportarten oder Chorproben nicht durchgeführt werden dürfen.
Andererseits müssen neue Routinen in den Schulalltag eingebunden und auch eingeübt werden. Das morgendliche Fiebermessen bei den internen Schülerinnen und Schülern, die Tests auf den Corona-Virus bei sämtlichen Rückkehrern aus den Pfingstferien, die zeitlich und räumlich gestreckte Essensausgabe mit geregelten Ein- und Ausgängen – all das erfordert ein Höchstmaß an Einsatz und Planung von unseren Mitarbeitenden und genauso so viel Einsicht und Disziplin bei unseren Schülerinnen und Schülern. Dass wir bislang von einer Corona-Infektion am Birklehof verschont wurden, ist auch ein Resultat dieser gemeinsamen Anstrengungen. Das erfüllt mich mit Zuversicht für die Zukunft.
Fängt man nach längerer Pause an, regelmäßig Sport zu treiben, sind die ersten Tage besonders schwer. Irgendwann aber wird das tägliche Joggen, Schwimmen, Trainieren zum Teil des Alltags. Bei den Corona-Maßnahmen geht es mir jedoch anders. Hier erlebe ich zwei Effekte: Zunächst ist der Schritt raus aus der Gemeinschaft gar nicht so schwer gefallen. Das intensive Erleben in Zeiten der Krise, ob in der Familie oder in der verbliebenden Internatsgemeinschaft, ließ uns zusammenrücken. So war es in den ersten Wochen zwar ruhiger, aber auch vertrauter und persönlicher, als es ohnehin schon ist. Die veränderte Form des Lernens und Lehrens war gewöhnungsbedürftig, in einigen Fällen tatsächlich auch bereichernd und erfrischend anders. Doch nicht selten war der Sprung in die digitale Schule anstrengend, zuweilen auch (über-)fordernd und einsam.
In den letzten Wochen zeigte sich der zweite Effekt. Ein Kollegiumsmitglied beschrieb es mit den gleichen Worten wie einige der hier gebliebenen Schüler: „So langsam reicht es.“ Wir alle wollen verantwortlich mit der Situation umgehen, auf Abstände und Hygiene achten. Allerdings ist eine Sehnsucht nach nicht-virtueller Begegnung, nach gemeinsam erlebten Momenten, nach realen Erfahrungen und gewohntem Unterricht am Birklehof überall deutlich zu spüren. Und so freue ich mich, jetzt gemeinsam mit allen Schülerinnen und Schülern und allen Mitarbeiter/-innen einen Schritt in Richtung Normalität zu gehen.
Henrik Fass, Schulleiter
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