29. Mai 2020
Eine Seilbahn am Birklehof
Mit kreativem Ingenieurdenken überwinden Schülerinnen und Schüler am Birklehof physische Distanzen /
„Achtung“, ertönte es vergangene Woche auf dem Gelände des Birklehof. Kurz darauf bewegte sich eine kleine Gondel quer über den Campus. Darin: ein paar Bonbons und ein Briefchen. Diese Szene konnte man öfters beobachten, denn über dem Gelände hatten zwei Schüler eine Seilbahn gebaut.
Vom Unterhaus zum Saalbau
Am Birklehof herrscht noch immer strenge Campus-Quarantäne. Neu ankommende Schüler werden von jenen, die schon länger am Internat sind, getrennt. Das eigene Zimmer konnte bei der Anreise vor drei Wochen deshalb fast niemand beziehen. So erging es auch Mirjam und Felix. „Ich hatte mein Zimmer im Unterhaus, und Felix ist in den Saalbau gezogen“, sagt die 15-jährige. Was sich als glücklicher Zufall herausstellte: Die Zimmer liegen sich genau gegenüber. Schon am ersten Tag unterhielten sie sich von Fenster zu Fenster. „Das war aber mehr ein Anschreien“, gibt Felix zu. Später beim Telefonieren sei ihm dann aufgefallen, wie perfekt die Strecke für eine Seilbahn geeignet wäre. „Ich bin Fan von alternativen Kommunikationsmitteln und später will ich Ingenieur werden“, sagt er. Mirjam war sofort Feuer und Flamme.
Eine Idee, schnell umgesetzt im Werkraum
Bis die Beiden allerdings Dinge durch die Luft hin und her transportieren konnten, dauerte es noch. „Zuerst haben wir ein Seil gebraucht“, sagt Mirjam, „für eine Strecke von 70 Metern darf das nicht zu kurz sein.“ Bestellt haben sie dann zur Sicherheit gleich 200 Meter. Dann ging es in den Werkraum zum Bau der Rollen und des Befestigungsmechanismus. „Unsere Seilbahn funktioniert nämlich so, dass ein langes Seil auf zwei Rollen gespannt wird und dann in beide Richtungen gezogen werden kann“, erklärt Felix. „Das 200-Meter-Seil funktioniert also wie ein Rundlauf, es ist Trag- und Zugseil in einem“, ergänzt Mirjam.
70 Meter lang, bis zu 6 Meter hoch
Beim Aufbau stießen die Erbauer der Bahn dann auf Schwierigkeiten. „Das Spannen des Seils hat statt geplanten zehn gleich 90 Minuten gedauert“, sagt der 18-jährige. Dann stand sie aber, die erste Birklehof-Seilbahn. Ein leerer Milchkarton wurde kurzerhand zur Gondel umfunktioniert. Der Birklehof-Express konnte starten. Er überwand eine Strecke von 70 Metern und eine Höhe von ungefähr 6 Metern. „Besonders abends hat das Schicken von Süßigkeiten, Briefen oder Tee Spaß gemacht“, so Mirjam. Und auch Freunde wollten einmal die Gondel ziehen.
Seilbahn wird „gefeiert“
Den Quarantäne-Auflagen widerspricht die Aktion im Übrigen nicht, der Sicherheitsabstand wird eingehalten. Sowohl Lehrer als auch Mitschüler waren begeistert. „Am Anfang waren alle etwas verwirrt“, erinnert sich Felix, „es ist hier ja auch nicht jeden Tag ein Seil gespannt.“ Seine Mitschüler hätten es aber „gefeiert“ sagt er grinsend. Mittlerweile mussten die Beiden die Bahn aber wieder abbauen. „Wir mussten umziehen“, so Mirjam. Auch weil Felix sich auf das Abitur vorbereitet, hat sie jetzt Pause. „Vielleicht packen wir sie aber irgendwann nochmal aus“, sagt er.
Bilder und Text: Julia, Klasse 10
Der Beitrag erschien am 26. Mai 2020 in der Badischen Zeitung.
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